Eine Fahrt ins Blaue

Die Großeltern und Eltern haben immer davon erzählt, aber wir haben es nie gesehen. Viele Bauernhöfe im Lesachtal hatten einen kleinen Leinacker. Ziel war es vor allem, die fasrigen Stängel zu verarbeiten, um daraus Stoff zu weben und daraus wiederum etwas zu nähen. Bettwäsche zum Beispiel oder Hemden. Ein Stück Leinen habe ich geerbt und ich hüte es wie einen Schatz. Vati hat auch vom Leinölpressen berichtet und immer vom wunderbaren Duft geschwärmt.

Die Textilverarbeitungskunst ist uns leider verloren gegangen. Dafür hatte unser Christoph die Idee, Öllein anzubauen, ebenfalls mit fasrigen Stängeln, aber niedriger im Wuchs und stark verzweigt, mit vielen hübschen Kügelchen, in denen sich die Leinsamen entwickeln. Vor den kleinen Kugeln und den wertvollen Samen ist jedoch die Blüte. Und die verleitet uns jedes Jahr dazu, ein paar Wochen lang „ins Blaue“ zu fahren. Ich nehme dafür das Fahrrad, denn die Äcker sind alle in einigen Minuten erreichbar. Die faszinierende wogende Blüte in magischem Blau lässt uns immer wieder staunen. Bienen und wohl auch andere Insekten finden hier reichlich Nahrung, das Gesumme ist ein Traum.

Der Anblick des blau blühenden Ackers löst allerdings nicht nur Glücksgefühle aus, denn er muss sauber händisch gejätet werden, sonst wird es mit der Ernte schwierig. Und das ist eher das Gegenteil von lustig. Allerdings gibt es da ein paar freiwillige Helferinnen, die die langwierige Arbeit verkürzen und die uns damit sehr glücklich machen. Ein engagierter Beitrag für die Natur, das Klima und die kleinstrukturierte Landwirtschaft.

Wir sagen Danke und hoffen, dass das faszinierende Blau und die knackige Sommerbräune, die man beim Jäten ebenso erwerben kann, ein kleiner Trost sind.